Durch einen veralteten Fahrzeugpark wollte man in Bielefeld mit neuen Bauarten Erfahrungen sammeln, dabei fiel die Wahl auf zunächst vier Großraumtriebwagen mit Düsseldorfer Front und zwei Beiwagen von DÜWAG, welche man 1954 bestellte. Die zwei Beiwagen 401 und 402 wurden noch im selben Jahr ausgeliefert, jedoch mussten diese noch bis Ende 1955 warten, da die vier Großraumtriebwagen verzögert bereitgestellt wurden. Es gab allerdings weitere Verzögerungen, da man vorsah die Triebwagen auch in Doppeltraktion fahren zu lassen, weswegen diese auch am Bug eine Compact-Kupplung erhielten. Die Einrichtungen für diese Zugsteuerung waren eingerichtet, aber nicht aktiviert. Auch musste man im Netz Änderungen vornehmen, wie zum Beispiel das Anlegen von Gleisdreiecken am Kattenkamp und in Schildesche. Letztendlich kam es nie zu einem Doppeltraktionseinsatz der Großraumtriebwagen.

Noch bevor die vierachsigen Großraumtriebwagen in den regelmäßigen Linienbetrieb einsteigen konnten, hat man sich bei den Stadtwerken Bielefeld sechsachsige Gelenktriebwagen von DÜWAG angeschafft, weswegen die Großraumtriebwagen ab sofort einen Fremdkörper im Wagenpark darstellten. Daher entschied man sich 1962 die bestandenen Großraumtriebwagen 301-304 in Großraumbeiwagen 409-412 umzubauen, welche dann mit den bereits vorhandenen zwei Beiwagen zum Einsatz hinter Gelenktriebwagen kamen. Diese sechs Beiwagen bekamen 1968 neue Wagennummern, 781-782 und 789-792, mit denen sie bis zum Einsatzende unterwegs waren. Die Beiwagen 790 und 791 kamen 1987 nach Darmstadt, während die restlichen in den Jahren 1981 und 1985 verschrottet wurden.

Das war allerdings nicht das endgültige Ende von Großraumbeiwagen in Bielefeld, denn es wurden 1960 zehn weitere Beiwagen zum Ersatz der vorher genutzten zweiachsigen Beiwagen bei der DÜWAG bestellt. Speziell für den Betrieb hinter sechsachsigen Gelenktriebwagen wurde ein neuer Beiwagentyp mit kurzem Bug entworfen. Dieser Beiwagen war 13,56 m lang, hatte die selbe Türanordnung von 1-2-2 und beendete mit der gekürzten Bugbauweise die Baugleichheit der Trieb- und Beiwagen. Von diesen Wagen kamen die ersten sechs (403-408) im Jahr 1961, welche von den letzten vier Wagen (413-416) 1962 gefolgt wurden.

Auch diese Wagen erhielten 1968 neue Wagennummern, 783-788 und 793-796. Außerdem zeigten diese Beiwagen sich Ende der 1970er im neuen orange-weißen Farbkleid, allerdings wurde die Beiwagenzeit in Bielefeld 1987 beendet, indem die Wagen 793-796 an die Oberrheinische Eisenbahn-Gesellschaft (OEG) verkauft wurden und die restlichen Wagen an die HEAG weitergereicht wurden, welche einen kurzfristigen Ersatz für zweiachsige Beiwagen suchte.

Bielefeld-spezielle Abänderungen

Abgesehen von der Regelbauart, bekamen die ersten zwei bestellten Beiwagen eine abgesenkte Heckplattform mit zusätzlicher Stufe zum übrigen Innenraum vor dem Schaffnerplatz. Diese Besonderheit war aber in den neu beschafften Großraumbeiwagen sowie bei den umgebauten Triebwagen nicht mehr anzutreffen. Auch besonders für alle bestandenen Bielefelder Wagen in den 1970er Jahren war die Umstellung auf das markante orange-weiße Farbschema der Stadtwerke Bielefeld, welche die Wagen bis zu ihrem Einsatzende, zumindest in Bielefeld, trugen.

Technische Daten

Die DÜWAG Großraumwagen waren alle vierachsige Einzelwagen mit, meist, drei über den Wagen verteilten Türen auf der rechten Fahrseite. Die Bielefelder Großraumtriebwagen waren alle Einrichtungstriebwagen, meterspurig, hatten eine Türanordnung von 1-2-2, besaßen eine Düsseldorfer Front und kleine Seitenfenster, verfügten über eine elektrische Ausrüstung von BBC und hatten eine Leistung von 2 x 100 kw. Sie hatten die Kommisions-Nummer S 669. Die ersten zwei Bielefelder Großraumbeiwagen besaßen auch kleine Fenster, jedoch hat man dann auf große Fenster gewechselt. Alle Beiwagen waren meterspurig und hatten eine Türanordnung von 1-2-2. Die Kommisions-Nummer lag bei den im Jahr 1955 bestellten Wagen bei S 670, bei den Baujahr 1961 Beiwagen bei S 131 und bei den Baujahr 1962 Beiwagen bei S 941. Diese Beiwagen waren 13,56 m lang, 2,20 m breit, hatten einen Achsabstand von 1,80 m, wogen 9,7 t und boten 28 Sitz- und 91 Stehplätze. Die Großraumtriebwagen waren sogenannte "all electric cars", das heißt dass alle Funktionen oder Aggregate ohne Hilfe eines anderen Mediums bedient werden konnten.

Wagenbau

Der Wagenbauliche Teil besaß weiterhin, wie auch bei den Prototypen auf der bewährten selbsttragenden Stahlleichtbauweise. Abgesehen von dieser bekannten Bauform war die Front ein Augenmerk des Großraumwagens, denn diese wurde sehr ansprechend, wie auch der Rest des Wagens, gestaltet. Die ganze Front ist sehr rund geformt und wurde, je nach Typ, nach oben hin weiter ins Wageninnere geneigt. Hierbei befand sich die äußerliche Zielanzeige über der Fahrerscheibe und die Linienanzeige direkt darüber, welche in das Dach des Wagens integriert wurde. Ansonsten weißt der Großraumwagen auf ein durchgehendes Design auf, welches auch durch die Türen einheitlich bleibt. Außerdem war der Wagenkasten so gestaltet, dass die Wünsche des Kunden hinsichtlich der Türanordnung jederzeit beachtet werden kann.

Abgesenkte Plattformen

Die ersten beiden, 1955 ausgelieferten, Bielefelder Beiwagen bekamen an der dritten Tür der Beiwagen eine abgesenkte Plattform. Dies hatte den Hintergrund, dass die Zeit die die Fahrgäste zum überwinden der drei Einstiegsstufen brauchten, zu hoch und es auch einfacher für Geherschwerten Menschen war, wenn man die dritte Stufe ein wenig in das Wageninnere verlegt. Allerdings wurde der Bauliche Aufwand dadurch höher und somit schließlich auch teurer.

Innenausstattung

Die Innenausstattung war sehr großzügig in der individuellen Konfiguration. Die einzelnen Auftraggeber waren in der Lage sehr viel, je nach Bedarf, abzuändern. So war es zum Beispiel möglich, die Sitzanordnung, die Sitzart oder sogar die Anordnung von Geräten beliebig zu bestimmen.

Fahrerplatz

Im Gegensatz zu heutigen Straßen- bzw. Stadtbahnwagen gab es keine feste Trennung des Fahrerraums vom Fahrgastraum, allerdings war dieser im Innenraum klar gegliedert. Der Fahrersitz war mittig vom Wagen angeordnet, die generelle Front und somit auch der Fahrerplatz war sehr rund geformt. Dabei bestanden die Scheiben um den Fahrerraum aus Plexiglas, welche dem Fahrer ein sehr gutes Blickfeld um sich und sein Fahrzeug gegeben hat.

Schaffnerplatz

Bis zu der Umstellung auf Einmannbetrieb in Bielefeld beinhalteten die bisherigen Großraumtrieb- und Beiwagen Schaffnerplätze. Von diesen Plätzen konnten die Türen gesteuert werden, als auch wurde der Fahrgastfluss beeinflusst. Nach Einführung des Einmannbetriebs wurde der spezielle Schaffnerplatz ausgebaut, die Türen auf Selbstbedienung umgebaut und der Fahrgastfluss aufgehoben.

Fahrgastsitze

In den Bielefelder Großraumtriebwagen, als auch Großraumbeiwagen bestanden die Fahrgastsitze aus Polster.

Türen

Die im Jahr 1950 entwickelten und patentierten elektromechanischen DÜWAG Falttüren wiesen den Ein- und Ausstieg in allen Großraumtrieb- und Beiwagen als auch späteren Gelenkwagen auf. Der lichte Durchgang einer Einzel-Falttür betrug als späteres Standardmaß der DÜWAG eine Breite von 650 mm. Ein Triebwagen bzw. ein Beiwagen in Bielefeld hatte eine Türanordnung von 1-2-2, eine Einzel-Falttür am Wagenvorderen, eine Doppel-Falttür in der Mitte des Wagens und eine Doppel-Falttür hinten an der Heckpartie des Wagens.

Kupplung

Die Triebwagen, als auch die Beiwagen besaßen Kupplungen, um gemeinsam im Linienbetrieb zu fahren. Ehemalig sollten die Triebwagen auch in Doppeltraktion verkehren, weswegen sie auch vorne Kupplungen erhielten, jedoch wurden diese Pläne letztendlich verworfen. Später kamen die Großraumbeiwagen auch hinter Gelenktriebwagen zum Einsatz.

Lüftung

Die Großraumtrieb- und Beiwagen besaßen keine eigene Lüftung. Lediglich die aufklappbaren oberen Teile der Fenster dienten in den Wagen zur Lüftung. Allerdings besaßen die Triebwagen Lüftungsgitter an der Front, welche vom Fahrer geöffnet werden konnten, womit Frischluft für die Innenbelüftung strömte.

Fahrgastinformation

Zur Fahrgastinformation dienten außen lediglich Rollbandanzeigen, welche an der Front die Linie und das Ziel, am Heck nur die Linie und an den Seiten das Ziel anzeigten. Im Innenraum gab es eine Lautsprecheranlage, welche, durch den Fahrer, die nächste Haltestelle ansagte. Ansonsten gab es im Innenraum keine weitere Fahrgastinformation.

Antrieb

Der Antrieb der Bielefelder Großraumtriebwagen verläuft über BBC-Hohlwellenantriebe, wovon je ein Motor pro Achse vorhanden ist.

Ehemaliger Fahrzeugbestand

Großraumtriebwagen 1955

Großraumbeiwagen 1955

Großraumbeiwagen (Bw) 1961/62

Umbauten Triebwagen (Tw) in Beiwagen (Bw)

Im Jahr 1962 wurden die vier vorhandenen Großraumtriebwagen in Großraumbeiwagen umgebaut, da die Gelenktriebwagen eine gute Ablösung für die Großraumtriebwagen darstellten. Ein Merkmal dieser umgebauten Wagen waren die großen Stirnscheiben, dort wo damals ein Fahrerstand war.

Quellen

"Straßenbahn-Großraumwagen, Drei- und Vierachser aus westdeutscher Produktion" (Klaus Meschede, Axel Reuther, Josef Schöber 2017, EK-Verlag GmbH, ISBN 978-3-8446-6850-6)